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Größer = Besser???
Liebe Leserin, lieber Leser,
Können Sie diesem Anblick problemlos widerstehen? Dabei ist der Burger, den Sie hier sehen, noch längst nicht das Maximum von dem dem, was man heute in manchen Burgerläden bestellen kann. Dazu vielleicht noch 2 Kilogramm Pommes und einen halben Liter Barbecuesoße?
Warum springen unsere Gehirne auf solche Bilder an? Warum springen sie noch viel mehr an, wenn wir einen solchen Burger (oder was immer Ihre größte Schwäche ist) real vor die Nase gestellt bekommen? Die Antwort dürfte in einem Neurotransmitter Namens „Dopamin“ liegen. Dopamin sorgt für Belohnungsgefühle im Gehirn. Dopamin wird ausgeschüttet, wenn wir leckeres Essen essen, schöne Menschen betrachten, Alkohol oder Drogen konsumieren und bei vielen anderen Aktivitäten, die wir als lustvoll erleben.
Man könnte sagen, dass unsere Hirne Dopaminjunkies sind, sie sind fast ständig auf der Suche nach diesem magischen Stoff. Dabei scheint es einen recht simplen Zusammenhang zwischen der Größe eines Burgers und der Menge an Dopamin im Hirn zu geben: Je größer, je mehr! Wir sind anfällig gegen Übergrößen, die Monsterburger machen uns heiß.
In der wissenschaftlichen Fachliteratur spricht man von „übernormalen Schlüsselreizen“, wenn ein Reiz übermäßig stark auf angeborene Reaktionsmuster wirkt. Der übernomale Reiz wirkt also stärker als die Reize, die uns in einer natürlichen Umwelt begegnen würden. Monsterburger kommen in der Natur nicht vor, daher wird unsere Wahrnehmung von solchen Anblicken überwältigt. Wenn so ein Teil vor uns steht, dann wollen wir das auch essen. Und zwar auch dann, wenn wir wissen, dass das unseren Hüften und unserem Herz-Kreislauf-System eher nicht bekommt. All unser Wissen über Diabetes ändert auch nichts daran, dass wir an dem folgenden Schaufenster hängen bleiben würden und richtig Lust auf Kuchen bekämen.
In dieser Ausgabe wollen wir uns ansehen, wo wir übernormalen Schlüsselreizen begegnen und was die mit unseren Gehirnen machen. Aber natürlich sehen wir uns auch wieder an, was wir tun können, um besser mit dieser Art überdimensionaler Reize umgehen zu können. Wenn Sie mit dieser Ausgabe durch sind, werden Sie zudem auch wissen, was Riesenkuchen und Monsterburger mit den Darstellungen von Comicfiguren wie den folgenden zu tun haben.
Wenn Sie dann auch noch unseren Leitartikel „Teller lügen!“ gelesen haben, dann wissen Sie, dass Sie sich beim Servieren von Essen sogar selbst nicht über den Weg trauen sollten.
Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen mit überdimensionierten Burgern und Co.!
Ihr Prof. Dr. Stefan Winter
Ihr Dr. Robin Stetzka
Möwenküken, Monstereier und Australische Prachtkäfer
Die Silbermöwe hat einen roten Punkt an der Unterseite des Schnabels. Wenn die Jungen etwas zu fressen wollen, picken sie in Richtung dieses roten Punktes. Der rote Punkt scheint in der angeborenen Vorstellung der Jungen so eine Art Futterknopf zu sein: Wenn Du was zu fressen willst, musst du da draufdrücken.
Unter anderem mit der Bedeutung dieses Punktes hat sich der niederländische Ethnologe und Nobelpreisträger Nikolaas Tinbergen beschäftigt. In einer im Jahre 1950 erschienen Arbeit hat er zusammen mit einem Koautoren beschrieben, was passiert, wenn man den Küken künstliche Schnäbel vorsetzt: Hält man den Küken einen roten Punkt vor die Nase, der an den Rändern nicht „verwaschen“ aussieht, wie die normalen roten Punkte an echten Schnäbeln, sondern einen besonders scharf konturierten Punkt, dann picken sie lieber in Richtung dieses Superpunktes. Tinbergen war es auch, der herausfand, dass Austernfischer sich im Fall einer Wahlmöglichkeit entscheiden, lieber ein künstliches Ei auszubrüten, das viermal größer ist als ein normales. Im Zweifel plädieren diese Vögel beim Brüten also eher für einen Fußball als für ein echtes Ei.
In Australien wäre eine Tierart fast ausgestorben, weil die Männchen zu sehr auf Größe abfahren: Die Männchen des Australischen Prachtkäfers stehen auf vier Merkmale, die ein Weibchen begehrenswert machen. Das Weibchen sollte groß sein, braun, glänzend und geriffelt. Leider waren genau das die Eigenschaften einer beliebten Bierflaschenform in Australien, den sogenannten Stubbies.
Noch schlimmer war, dass die Australier die Flaschen in riesigen Mengen in die Botanik geschmissen haben. Daraufhin haben die Käfermännchen dann nur noch versucht, sich mit den Flaschen zu paaren. Der durch die Flaschen ausgelöste Sexualtrieb der Männchen war so stark, dass sie bis zum Hitzetod versucht haben, sich mit den Monsterweibchen zu paaren. Glück für die Käfer: Die Australier haben die Flaschenform verändert, die Käfer haben überlebt. Falls Sie jetzt aber hoffen, dass wir als Menschen viel schlauer sind: Vorsicht, lesen Sie lieber erst noch etwas weiter…
Quellen:
Staddon, J. E. R. (1975). A note on the evolutionary significance of“ supernormal“ stimuli. The American Naturalist, 109(969), 541-545.
Tinbergen, N., & Perdeck, A. C. (1950). On the stimulus situation releasing the begging response in the newly hatched herring gull chick (Larus argentatus argentatus Pont.). Behaviour, 3(1), 1-39.
Gwynne, D. T. and Rentz, D. C. F. (1983): Beetles on the bottle: male buprestids mistake stubbies for females (Coleoptera). Journal of the Australian Entomological Society 22, 79–80.
Comicheldinnen und High-Heels
Rebecca Burch ist mit Sicherheit die weltweit größte Expertin für die Körpermaße von Superheldinnen. Und Superhelden. Rebecca berechnet unterem anderem deren BMIs. Nun fragt man sich natürlich, woher Rebecca denn weiß, wie groß Batman ist und wie viel der wiegt. Nun, sie weiß das, weil die meisten Comicproduzenten Steckbriefe ihrer Superheldinnen und -helden veröffentlichen. Die Superheldinnen sehen im Normalfall etwa so aus:
Rebeccas Analysen zufolge haben Superheldinnen BMIs am unteren Rand des Normalgewichts, neigen also schon fast zu Magersucht. Passend dazu haben Superheldinnen sehr lange Beine und Wespentaillen, nur die Oberweiten passen so rein gar nicht zum BMI. Männliche Superhelden hingegen agieren eher im BMI-Bereich von Adipositas. Das kommt aber nicht durch ausladende Bierbäuche, sondern durch die übermäßige Muskelbepackung der V-Förmigen Oberkörper
In den Comicverfilmungen mit realen Schauspielern kriegt man das nicht immer hundertprozentig hin, aber man kommt nah heran. Die weibliche Superheldinnenliga sieht dann etwa so aus:
Während sich die männliche Liga dann etwa so präsentiert:
Mit der Vermessung von BMIs hat Rebecca Burch aber noch längst nicht aufgehört. Sie hat sich in einer weiteren wissenschaftlichen Arbeit auf die Vermessung der Beine von Superheldinnen konzentriert. Ergebnis: Superheldinnen haben längere Beine als reale Frauen. Und: Superheldinnen gehen häufig auf Zehenspitzen oder tragen High-Heels, was optisch zum Eindruck noch längerer Beine führt. Mit dieser Darstellung bedienen die Comicproduzenten eine international festgestellte Präferenz für lange Beine.
Fasst man die Forschungsarbeiten von Rebecca Burch zusammen, lässt sich klar konstatieren, dass Comicproduzenten Menschen optisch in übernormale Stimuli verwandeln, um sie zu Superhelden zu machen. Bei der Betrachtung solcher idealisierten Körper passiert in unseren Gehirnen etwa das, was auch dann passiert, wenn wir überdimensionierte Hamburger sehen: Wir empfinden Lust, es bereitet uns Vergnügen, solche überzogenen Darstellungen zu betrachten. Das Übernormale überrumpelt unsere Wahrnehmung. Dass unsere Heldin im folgenden Bild mit ihrer Schuhauswahl auf dem Mars eher schlecht beraten sein dürfte, stört uns dabei überhaupt nicht.
Diese völlig verzerrten Körperbilder aus Comics findet man immer mehr auch in Kinderzimmern. Harrison Pope und seine Koautoren haben die Entwicklung der Körperformen von Spielzeugfiguren untersucht. Dabei haben sie festgestellt, dass männliche Spielfiguren im Zeitablauf immer muskulöser geworden sind. Spielzeugregale in den Kinderzimmern von Jungen sehen inzwischen etwa so aus:
Der Fachaufsatz von Pope und seinen Koautoren ist übrigens in einer Fachzeitschrift für Essstörungen erschienen. Die Autoren, und nicht nur diese, vermuten nämlich, dass Kinder durch das Spielen mit solchen Figuren Idealvorstellungen von Körpern entwickeln, denen sie später selbst nicht gerecht werden können. Das führt dann direkt in die Essstörungen hinein. Vergleichen Sie einmal eine typische Puppe des 18. Jahrhunderts mit einer modernen Puppe:
Wenn Sie die miteinander vergleichen, dann ist wenig verwunderlich, dass heutige Mädchen teils schon mit acht Jahren anfangen, Diäten zu machen. Wobei die Diät eines Kindes ein traurig präziser Indikator für eine nachfolgende Essstörung ist.
Quellen:
Burch, R. L., & Johnsen, L. (2020). Captain Dorito and the bombshell: Supernormal stimuli in comics and film. Evolutionary Behavioral Sciences, 14(2), 115.
Burch, R. L., & Widman, D. (2024). She’s got legs: Longer legs in female comic book characters correspond to global preferences. Evolutionary Behavioral Sciences 18 (2), 146-157.
Pope Jr, H. G., Olivardia, R., Gruber, A., & Borowiecki, J. (1999). Evolving ideals of male body image as seen through action toys. International journal of eating disorders, 26(1), 65-72.
High-Heels in der Realität und Netflix auf Großbildschirmen
Nun gibt es High-Heels nicht nur in Comics, sie stehen auch in realen Schuhgeschäften und werden von realen Frauen getragen.
Verwandeln sich die Trägerinnen durch das Tragen von High-Heels in Superheldinnen? Nun, das vielleicht nicht, aber sie verwandeln sich tatsächlich in übernormale Schlüsselreize. Zumindest wenn man einer Forschungsarbeit von Paul Morris, Jenny White und ihren Kollegen Glauben schenkt. Das Forscherteam hat ein Experiment gemacht, bei dem Frauen einmal in flachen Schuhen und einmal in High-Heels beim Gehen gefilmt wurden. Danach wurden die Filme so nachbearbeitet, dass nur noch die Bildpunkte der Umrisse der Frauen zu sehen waren. Weder die Frauen selbst noch deren Schuhwerk waren auf den Bildpunktfilmen zu erkennen. Sehen Sie sich das nächste Bild an, dann haben Sie eine ungefähre Vorstellung.
Ergebnis der Studie: Männer, die sich die Filme mit den Bildpunktumrissen der Frauen angesehen haben, haben die Umrisse von Frauen, die mit High-Heels gefilmt wurden, als signifikant attraktiver eingeschätzt. Das Forscherteam interpretiert das als Beleg dafür, dass die Schuhe die Körperumrisse von Frauen in übernormale Stimuli verwandeln. Den übernormalen Stimuli kann das Männchen dann offensichtlich schwer widerstehen. Nun wird man aber zugeben müssen, dass das Gefährlichste an High-Heels die Verletzungsgefahren sind, denen die Trägerinnen ausgesetzt sind.
Da sieht es mit anderen übernormalen Reizen schon anders aus. Wenn Sie sich die Qualität heutiger Unterhaltungselektronik und die Professionalität der Unterhaltungsprodukte ansehen, dann ist da kaum noch ein Entkommen möglich. Die Bildqualität von Bildschirmen wird immer besser, die Bildschirme selbst werden immer größer, die Actionfilme immer spannender und unsere Lieblingsserien immer suchtfördernder.
Die Konsequenz: Wir kommen nicht mehr ausreichend zum abendlichen „Herunterfahren“ oder verzichten gar auf Schlaf. Unsere Gehirne werden von der Actiondichte und der visuellen Qualität moderner Unterhaltung völlig überrumpelt. Ob Sie in einer bestimmten Situation einem übernormalen Reiz ausgesetzt sind, können Sie in der Regel ganz einfach überprüfen. Fragen Sie sich einfach, ob es das, was Sie da gerade vor sich haben, in der Steinzeit so oder so ähnlich auch schon gab. Falls nicht, stehen Sie vermutlich einem übernormalen Stimulus gegenüber. Einer der hinterhältigsten Tricks der Unterhaltungsbranche besteht inzwischen darin, einfach weiterzumachen, wenn wir nicht aktiv „Stopp!“ sagen. Wenn man ins Kino geht und der Film zu ende ist, muss man an die Kasse gehen, ein neues Ticket kaufen und kann sich erst dann den nächsten Film ansehen. Die meisten von uns nutzen diese Unterbrechung, um nach Haus zu gehen. Youtoube, Netflix und Tiktok spielen aber einfach immer weiter, wenn wir das nicht stoppen. Früher brauchte man Kraft, um weiterzumachen, heute braucht man Kraft, um aufzuhören. Auch darauf sind unsere Gehirne nicht ausgelegt, auch das ist ein übernormaler Stimulus.
Vermutlich wird die Handysucht bald out sein. Denn die nächste, noch überwältigendere Technologie steht bereits in den Startlöchern, die ersten Modelle sind bereits erhältlich: Sexroboter. Die werden aber nicht so aussehen, wie im folgenden Bild.
Sie werden so aussehen, wie wir uns unsere Traumpartner vorstellen, sie werden sich so verhalten, wie wir das mögen, sie werden nicht widersprechen oder mit uns streiten, sondern sie werden uns anhimmeln, wie uns das gefällt. Die Sexroboterforschung ist jedenfalls auch schon in vollem Gang. Derzeitige Kunden sind überwiegend gut verdienende Männer mittleren Alters, Kaufabsichten für die Zukunft äußern derzeit vor allem schüchterne jüngere Männer. Inzwischen sind aber auch schon die ersten Modelle auf dem Markt, die sich an zahlungskräftige Frauen wenden. Allen Modellen gemein ist aber, dass die in etwa den Körperbau von Comicheldinnen und -helden haben. Übernormal eben. Man sollte daher nicht nur australische Käfer für gefährdet halten.
Quellen:
Morris, P. H. et al. (2013): High heels as supernormal stimuli: How wearing high heels affects judgements of female attractiveness. Evolution and Human Behavior 34(3), 176-181.
Appel, M. et al. (2019): Otakuism and the Appeal of Sex Robots. Frontiers in Psychology 10, Article 569.
Hanson and Loccatelli (2022): From Sex Dolls to Sex Robots and Beyond: A Narrative Review of Theoretical and Empirical Research on Human‑like and Personified Sex Tech. Current Sexual Health Reports 14, 106–117.
Teller lügen!
Stellen Sie sich vor, dass Sie sich auf eine Kreuzfahrt durch unser Sonnensystem machen. Mal legen Sie an der Venus an, dann am Mars und natürlich auch mal am Saturn zum berühmten abendlichen Ringezählen.
Zwischendurch, so alle zehn oder zwanzig Jahre, schauen Sie auch mal wieder auf der Erde vorbei. Klar gibt es bei jedem Besuch Ihres Heimatplaneten immer wieder neue technische Errungenschaften zu bewundern. Wenn Sie in zwanzig Jahren wieder landen, werden Sie in Restaurants von Robotern bedient, Autos zum Selberlenken dürfen nur noch auf dafür freigegebenen Nostalgiestraßen gefahren werden und Nanoroboter im Mund erledigten das Zähneputzen.
Wenn Sie mit Ihrer Kreuzfahrt in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts angefangen hätten, dann hätten Sie inzwischen aber auch schon einen eindeutigen Trend mitbekommen: Die Portionen auf unseren Tellern werden ständig größer. Von der XXXXXL-Eisportion auf dem nächsten Bild sind wir nicht mehr weit entfernt, beim nächsten Anlegen am Heimathafen Erde werden Sie dieses Eis irgendwo bestellen können.
Ob Hamburger im Restaurant, Cola-Becher oder Popcornpackungen im Kino: Alles wird ständig größer. Dieser als „Supersizing“ bekannte Trend bringt eine Marketingstrategie zum Ausdruck, über die Anbieter von Lebens- und Genussmitteln versuchen, Kunden durch immer riesigere Portionen und Packungsgrößen zu gewinnen. Leider scheint diese Rechnung aufzugehen. Nicht nur, dass wir die größeren Portionen kaufen, wir essen dann auch mehr. Natalina Zlatevska und Koautoren schätzen, dass eine Verdoppelung der Portionsgröße zu einer Steigerung der tatsächlich konsumierten Menge um durchschnittlich 35% führt. Vielleicht würden Sie also das Popcorn in der Tüte im nächsten Bild nicht aufessen, aber Sie würden ziemlich sicher sehr viel mehr essen, als wenn Sie sich nur eine kleine Tüte gekauft hätten.
Auch unsere Kleine im nächsten Bild wird vermutlich mehr in sich hineinstopfen, als wenn man ihr einen normalen Schokoriegel in die Hand gedrückt hätte.
Dass auch Kinder anfällig für das Supersizing sind, fanden z.B. Jennifer Fischer und Tanja Kral in ihrer Studie heraus. In einer Übersichtsarbeit stellen Barbara Livingstone und Kirsty Pourshahidi fest, dass der Supersizing-Effekt in allen Altersgruppen, Gewichtsklassen, Einkommens- und Bildungsschichten auftritt. Auch zeigt sich, dass der Verzehr übergroßer Portionen nicht durch entsprechende Kalorienreduktion in Folgemahlzeiten wieder ausgeglichen wird. Fatal ist das Ganze auch deshalb, weil die übergroßen Portionen zu Preisen angeboten werden, die relativ gesehen sehr günstig wirken. Man kriegt bei großen Portionen auf den ersten Blick also mehr fürs Geld. Die Wahrheit dahinter ist aber, dass man mehr Übergewicht für sein Geld bekommt. Angesichts dieser Entwicklung ist es auch nicht so verwunderlich, dass die Kinder 1950 anders ausgesehen haben als viele Kinder heute.
Megan McCroy und ihre Koautorinnen fanden für Fastfood-Restaurants in den USA heraus, dass in den angebotenen Menüs im Zeitraum von 1986 bis 2016 die Vorspeisen um 13 Gramm pro Jahrzehnt zugenommen haben und die Desserts sogar um 24 Gramm pro Jahrzehnt. Was man uns heute serviert, ist beim besten Willen nicht das, was wir auch wirklich essen sollten. Es ist schlicht zu viel. Nur leider fällt uns das gar nicht mehr auf, weil wir überall immer mehr auf den Tisch gestellt bekommen.
Barbara Rolls hat mir ihren Kolleginnen einen Essenstest über einen längeren Zeitraum veranstaltet. Ein Teil der Teilnehmer hat normale Essensportionen bekommen, der andere Teil 50% mehr. Und zwar 11 Tage lang. Dann gab es zwei Wochen Pause und anschließend haben die Gruppen getauscht. Ergebnis: In jeder Gruppe, in der die Portionsgröße um 50% erhöht wurde, wurden pro Tag im Schnitt 423 Kilokalorien mehr gegessen. In einem ähnlichen Experiment von Nicole Diliberti und Mitstreitern wurden Besuchern einer Kantine mal normale Portionen und mal größere Portionen untergejubelt. Ergebnis: Egal, ob man die kleinen oder die großen Portionen servierte, die Besucher äußerten nach dem Essen stets, dass die Portionsgröße gerade richtig gewesen sei. Der einzige Unterschied: Die großen Portionen führten zu einer um 43% höheren Kalorienaufnahme. In beiden Studien ziehen die Forscherinnen die Schlussfolgerung, dass wir nicht essen, bis wir satt sind, sondern bis der Teller leer ist.
Wenn wir gar Büffets buchen, dann ist die Portionsgröße faktisch sogar unendlich. Am besten noch morgens bis abends für ein paar Wochen am Stück: Das ganze nennt sich dann All-inclusive Urlaub.
Essen ist ein Schlüsselreiz, auf den wir anspringen. Riesenportionen sind übernormaler Schlüsselreize, die uns zum Überfressen treiben. Trauen Sie also den Portionen, die man Ihnen heute auf den Teller knallt, lieber nicht. Auch nicht den Portionen, die Sie sich selbst auf den Teller knallen.
Quellen:
Livingstone, M. B. E., & Pourshahidi, L. K. (2014). Portion size and obesity. Advances in nutrition, 5(6), 829-834.
Fisher, J. O., & Kral, T. V. (2008). Super-size me: Portion size effects on young children’s eating. Physiology & behavior, 94(1), 39-47.
Zlatevska, N., Dubelaar, C., & Holden, S. S. (2014). Sizing up the effect of portion size on consumption: a meta-analytic review. Journal of marketing, 78(3), 140-154.
McCrory, M. A., Harbaugh, A. G., Appeadu, S., & Roberts, S. B. (2019). Fast-food offerings in the United States in 1986, 1991, and 2016 show large increases in food variety, portion size, dietary energy, and selected micronutrients. Journal of the Academy of Nutrition and Dietetics, 119(6), 923-933.
Rolls, B. J., Roe, L. S., & Meengs, J. S. (2007). The effect of large portion sizes on energy intake is sustained for 11 days. Obesity, 15(6), 1535-1543.
Diliberti, N., Bordi, P. L., Conklin, M. T., Roe, L. S., & Rolls, B. J. (2004). Increased portion size leads to increased energy intake in a restaurant meal. Obesity research, 12(3), 562-568.i
Der Selbstmanagement-Tipp
Den Kampf zwischen übernormalem Stimulus und Willenskraft können Sie sich in etwa wie folgt vorstellen…
Daher ist unser Tipp dieser Ausgabe: Gehen Sie dem Kampf aus dem Weg, das ist die einzige Möglichkeit, zu gewinnen. Je weniger Sie sich übernormalen Reizen aussetzen, je weniger werden Sie Entscheidungen treffen, die Ihnen nicht guttun. Nicht nur Australische Prachtkäfer sind gefährdet, wir sind es auch. Wenn Sie bei sich daheim anfangen wollen, dann verzichten Sie z.B. auf reich gedeckte Frühstückstische. Legen Sie sich das, was sie wirklich essen wollen auf einen Teller und setzen Sie sich damit an den Frühstückstisch. Dann werden Sie nicht ständig von noch mehr Brötchen, Croissants, und Pancakes und Co. zum Kampf herausgefordert.
In der nächsten Ausgabe…
In der folgenden Mai-Ausgabe wollen wir uns mit der Frage beschäftigen, was digitale Entgiftung bedeutet und ob wir die tatsächlich brauchen. Manche gehen bei dem Thema gar so weit, den digitalen Selbstmord vorzuschlagen. Gemeint ist damit die komplette Verabschiedung von allen sozialen Medien. Ob wir tatsächlich bis zum digitalen Selbstmord gehen müssen, wie unser trauriger Roboter im Bild, ist sicher noch offen.
Aber ein bewussterer Umgang mit digitalen Medien wirkt sich erwiesenermaßen positiv auf unser Wohlergeben aus. Wir freuen uns auf Sie, wenn Sie im Mai wieder dabei sind!
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