Newsletter – Januar 2024
17. Januar 2024Newsletter – März 2024
25. März 2024Newsletter - Februar 2024
Kann man mit Pizza, Bier und Kaffee trotzdem gut schlafen?
Liebe Leserin, lieber Leser,
in unserem letzten Newsletter haben wir Sie zu Beginn gefragt, ob Sie sich morgens frisch und ausgeruht fühlen oder schon k.o. sind, ehe der Tag richtig losgeht. Damit haben wir im Januar unsere dreiteilige Newsletter-Reihe über den Schlaf begonnen. Dort hatten wir gesehen, wie wichtig Schlaf ist, was er für unsere Gesundheit und unsere Stimmung tut. Und wir haben gesehen, dass unsere Schlaf-/Wachzyklen von einer inneren Zentraluhr im Gehirn gesteuert werden, einer winzigen Ansammlung von Gehirnzellen, dem suprachiasmatischen Nukleus.
Schließlich haben wir gesehen, wie wichtig Tageslicht dafür ist, unsere inneren Zentraluhren immer wieder richtig einzustellen. Wir haben gesehen, wie eine konstruktive Lichtumgebung uns dabei hilft, tagsüber richtig wach und sogar gut gelaunt zu sein und uns nachts gut schlafen lässt. Wenn Sie das alles nochmals nachlesen wollen: Hier geht’s zum Januar-Newsletter. Die Reise hin zu besserem Schlaf, die wir im Januar begonnen haben, wollen wir heute fortsetzen.
In dieser Ausgabe wollen wir uns ansehen, warum die knusprige Pizza kurz vor dem Schlaf vielleicht gut schmeckt, uns aber schlechter schlafen lässt. Wir werden uns ansehen, was die Temperatureinstellung an unseren Duschknöpfen mit unserem Schlaf zu tun hat und warum wir manchmal sogar im Winter unsere Füße unter der Bettdecke herausgucken lassen. Wir sehen uns an, warum das Feierabendbierchen nicht beim Einschlafen hilft, obwohl es erfolgreich so tut, als würde es uns eine Gute-Nacht-Geschichte vorlesen.
Und wir werden sehen, dass Koffein sehr geschickt darin ist, Fake-News im Hirn zu verbreiten. Was auch Schlaftabletten sehr geschickt tun.
Unserer Philosophie entsprechend werden wir uns auch heute mit Ihnen zusammen wissenschaftliche Studien rund um das Thema „gutes Schlafen“ ansehen. Und dabei natürlich weiter danach fragen, was wir aus den Studien lernen können, um besser zu schlafen.
Was können Sie aus der heutigen Ausgabe mitnehmen? Zunächst das Wissen, wie man Kaffee, Bier und Co. geschickt genießt, ohne den Schlaf zu sehr zu bombardieren.
Sie können aber auch das Wissen mitnehmen, dass man Schlaf viel besser über konstruktives Verhalten als über irgendwelche Substanzen oder Wundermittel steuern kann. Lesen Sie unseren Selbstmanagement Leitartikel „Die Koffeinmeisterschaft und das Frühstücksbierchen“, dann wissen Sie, wie sie zwei der Lieblingssubstanzen der Menschheit schlafkompatibel genießen können. Bitte wundern Sie sich nicht zu sehr, wenn wir Ihnen dabei vorschlagen, Cocktails lieber zum Frühstück als abends in der Bar zu trinken.
Für die Eiligen unter Ihnen beginnen wir aber zunächst mit den Schlaftipps dieser Ausgabe…
Ihr Prof. Dr. Stefan Winter
Ihr Robin Stetzka, M.Sc.
Der Schlafcheck – Die Schlaftipps dieser Newsletterausgabe
Frühstücken Sie morgens richtig gut, das startet die inneren Uhren der Organe und hilft nachts beim Schlafen! Gute Laune macht das auch noch…
Trinken Sie ab mittags nur noch koffeinfreie Getränke. Koffein blockiert im Gehirn den „Müdigkeits“-Botenstoff Adenosin, mit viel Koffein im Blut kann ihr Gehirn also nicht richtig müde werden. Koffein bleibt lange im Blut.
Trinken Sie Alkohol lieber zum Frühschoppen als am Abend. Alkohol führt zu vermehrtem nächtlichem Aufwachen und torpediert den Traumschlaf. Der aber ist für unser emotionales Gleichgewicht von großer Bedeutung.
Schlaftabletten produzieren keinen Schlaf, sondern in der Regel eher Betäubung. Bei chronischen Schlafproblemen können Schlaftabletten eventuell den Wiedereinstieg in ein intaktes Schlafmuster erleichtern. Das ist aber die absolute Notlösung, die nur nach schlafmedizinischer Verordnung gewählt werden sollte. Schlaftabletten, auch freiverkäufliche, können erhebliche Nebenwirkungen haben.
Schlafen Sie nach Möglichkeit in kühlen Räumen! Zum Schlafen muss der Körper die Temperatur um ca. 1 Grad Celsius absenken, das fällt in kühlen Räumen viel leichter als in warmen.
Helfen Sie dem Schlafthermostat Ihres Körpers: Duschen Sie heiß vor dem Schlafengehen. Die heiße Dusche bringt den Körper dazu, seine Abkühlungsmaschine anzuwerfen. Die Körpertemperatur fällt dann schneller und man kann schneller einschlafen. Falls noch nicht geschehen, besorgen Sie sich eine wärmeleitfähige Matratze und entsprechende Bettdecke und stellen Sie sich im Sommer einen leisen Ventilator neben das Bett!
Wenn Sie nun noch im Detail wissen wollen, warum Sie eben diese Tipps gelesen haben, dann tauchen Sie jetzt tiefer mit uns ein…
Pizza ist lecker, aber wann?
Nun, die Überschrift ist eine Scherzfrage, denn eine gute Pizza ist eigentlich immer lecker. Finden wir jedenfalls. Die interessantere Frage ist daher: Wann ist eine gute Pizza auch gut für den Schlaf? Leider lautet die Antwort: Sie ist vermutlich umso besser für den Schlaf, je mehr Abstand die Pizza vom Schlaf hält. Jedenfalls im Dauerbetrieb. Hin und wieder mal eine Quattro Stagioni zum Feierabend ist sicher kein Problem. Als normales Ernährungsmuster haben abendliche Pizzen, Spaghetti und Co. indessen so ihre Probleme.
Das hat viele Ursachen. Vermutlich die wichtigste: Eine spätabendliche Pizza bringt die Leber auf Hochtouren und das zu einer Zeit, wenn die Leber, so wie der Rest des Körpers, lieber schlafen möchte.
Fährt die Leber abends hoch, bringt das die Vielzahl der inneren Uhren durcheinander, Hirn und Organe leben dann plötzlich in verschiedenen Zeitzonen. Darunter leidet der Schlaf. Damit aber nicht genug: Die Konzentration der täglichen Kalorien auf den Abend erhöht das Risiko für Übergewicht und Adipositas. Das zeigen z.B. die Studien von Bo und Kollegen, Jakubowicz und Kollegen und Hutchinson und Kollegen. Russel Foster berichtet von einer Frage, die ihm anonym zugegangen ist: Wenn abendliche Kalorien so schlecht sind, warum gibt es dann ein Licht im Kühlschrank? Nun, was auch immer der Grund dafür sein mag: Das Licht im Kühlschrank ist einer der schwächsten wissenschaftliche Beweise für die Vorteile des nächtlichen Essens, die man sich überhaupt denken kann.
Wenn es um das Thema Schlaf und Ernährung geht, dann ist ein gutes Frühstück ein echter Freund. Eine gesteigerte Insulinresistenz der Zellen ist ein Merkmal von Diabetes Typ II. Hye Jin Joo und Kollegen gehen der Frage nach, was eine gesteigerte Insulinresistenz mit dem Frühstücksverhalten zu tun hat. Ergebnis: Die, die regelmäßig frühstücken, sind deutlich weniger gefährdet. Ein gutes Frühstück ist daher definitiv eine tolle Alternative zur abendlichen Pizza, sogar dann, wenn es die Pizza zum Frühstück gibt. Zudem steht das Frühstück auch im dringenden Tatverdacht, gute Laune zu verursachen. Aber sehen Sie selbst…
Quellen:
Bo, S., Musso, G., Beccuti, G., Fadda, M., Fedele, D., Gambino, R., … & Cassader, M. (2014). Consuming more of daily caloric intake at dinner predisposes to obesity. A 6-year population-based prospective cohort study. PloS one, 9(9), e108467.
Jakubowicz, D., Wainstein, J., Ahrén, B., Bar-Dayan, Y., Landau, Z., Rabinovitz, H. R., & Froy, O. (2015). High-energy breakfast with low-energy dinner decreases overall daily hyperglycaemia in type 2 diabetic patients: a randomised clinical trial. Diabetologia, 58, 912-919.
Hutchison, A. T., Wittert, G. A., & Heilbronn, L. K. (2017). Matching meals to body clocks—impact on weight and glucose metabolism. Nutrients, 9(3), 222.
Foster, R. (2022): Time Life. Penguin Life.
Joo, H. J., Kim, G. R., Park, E. C., & Jang, S. I. (2020). Association between Frequency of breakfast consumption and insulin resistance using triglyceride-glucose index: A Cross-Sectional Study of the Korea National Health and nutrition examination survey (2016–2018). International journal of environmental research and public health, 17(9), 3322.
Frühstück macht fröhlich!
Sang Ah Lee und ihre Kollegen haben eine Untersuchung zu Frühstücksgewohnheiten und Stimmungen in Korea durchgeführt. Mit dem Ergebnis, dass diejenigen, die öfter das Frühstück ausfallen lassen, häufiger von Depressionen betroffen waren. Die Autoren führen weiter aus, dass ein gutes Frühstück Energiereserven für den Tag bereitstellt und damit auch stressreduzierend wirkt. Wenn das Hirn mit dem Eindruck in den Tag startet, dass genug Energiereserven bereitstehen, dann beginnt es den Tag gleich viel entspannter. Die Haferflocken werden zum ersten Kraftwerk des Tages!
In einer Studie mit spanischen Jugendlichen fanden Rosario Ferrer-Cascales und ihre Koautoren, dass nicht das Frühstück allein zählt, sondern nur ein gutes Frühstück positive Auswirkungen hat. In der Untersuchung zeigten die, die qualitativ hochwertig frühstückten, geringere Stressniveaus als alle anderen und berichteten von weniger depressiven Symptomen und insgesamt besserer Gesundheit. Die Gruppe, die überhaupt nicht gefrühstückt hat, schnitt hingegen besser ab als die, die zuckerverseuchtes Junk Food frühstücken.
Hoda Zahedi und ihre Koautoren liefern einen Überblick über eine Vielzahl von Studien zum Zusammenhang zwischen Frühstücksgewohnheiten und diversen Gesundheitseffekten. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass das Ausfallenlassen des Frühstücks zu einem Anstieg von depressiven Symptomen und Stressgefühlen führt.
Fazit: Ein reichhaltiges Frühstück mit Vollkornprodukten, Gemüse, Käse, Obst und Joghurt dürfte eine großartige Alternative für die Pizza am Abend sein. Nicht nur für den Körper, sondern auch für die Stimmung!
Quellen:
Lee, S. A., Park, E. C., Ju, Y. J., Lee, T. H., Han, E., & Kim, T. H. (2017). Breakfast consumption and depressive mood: A focus on socioeconomic status. Appetite, 114, 313-319.
Ferrer-Cascales, R., Sánchez-SanSegundo, M., Ruiz-Robledillo, N., Albaladejo-Blázquez, N., Laguna-Pérez, A., & Zaragoza-Martí, A. (2018). Eat or skip breakfast? The important role of breakfast quality for health-related quality of life, stress and depression in Spanish adolescents. International journal of environmental research and public health, 15(8), 1781.
Zahedi, H., Djalalinia, S., Sadeghi, O., Zare Garizi, F., Asayesh, H., Payab, M., … & Qorbani, M. (2022). Breakfast consumption and mental health: a systematic review and meta-analysis of observational studies. Nutritional neuroscience, 25(6), 1250-1264.
Joo, H. J., Kim, G. R., Park, E. C., & Jang, S. I. (2020). Association between Frequency of breakfast consumption and insulin resistance using triglyceride-glucose index: A Cross-Sectional Study of the Korea National Health and nutrition examination survey (2016–2018). International journal of environmental research and public health, 17(9), 3322.
Die Chemie des Schlafhungers!
In der Januarausgabe hatten wir uns angesehen, welche Rolle das Licht bei der Steuerung des Schlafs spielt. Es ist aber nicht nur das Licht wichtig. Hunger auf Schlaf kann man auch chemisch beeinflussen! Diverse chemische Substanzen im Körper stehen im Verdacht, Einfluss auf den Schlaf zu nehmen. Eine, bei denen dieser Einfluss feststeht, heißt „Adenosin“, welches manchmal auch als Schlafhungerhormon bezeichnet wird. Wenn Adenosin im Gehirn an den zuständigen Rezeptoren andockt, dann sagt es damit dem Hirn, dass es müde ist. Adenosin ist so etwas wie die liebevolle Oma, die unseren Gehirnen unsere Gute-Nacht-Geschichten vorliest.
Dabei baut sich die Adenosinkonzentration im Gehirn während der Wachphase auf, wie Tarja Porkka-Haiskanen und Anna Kalinchuk schreiben. Während man also wach durch den Tag zieht, steigt der Adenosin-Pegel im Blut immer weiter an. Wenn dann der Pegel hoch genug ist, wird man müde. Radhika Basheer und Kollegen erklären auch, wie genau Adenosin auf den Schlaf wirkt: Es legt jene Hirnzellen lahm, die für das Wachsein zuständig sind. Während des Schlafs wird das Adenosin im Gehirn wieder abgebaut. Wenn der Pegel genug gesunken ist, dann kehrt wieder Leben ein in die Hirnzellen, die für das Wachsein zuständig sind: Wir wachen auf! Daraus lässt sich gleich eine Schlafstrategie basteln. Da Adenosin während des Schlafs abgebaut wird, ist ein längerer Mittagsschlaf für Menschen mit nächtlichen Schlafproblemen keine gute Idee. Denn das Adenosin, das während des Mittagsschlafs abgebaut wird, steht dann abends nicht mehr zur Verfügung, um für Ruhe unter den Wach-Neuronen zu sorgen. Außerdem ist es eine hervorragende Idee, so frühzeitig schlafen zu gehen, dass man am nächsten Morgen von allein aufwacht. Das Aufwachen im Rhythmus unserer körpereigenen Chemie hält uns länger gesund und gut gelaunt. Wecker machen das kaputt, indem sie einen unnatürlichen Wachzustand per akustischem Blitzeinschlag erzeugen.
Quellen:
Basheer, R., Strecker, R. E., Thakkar, M. M., & McCarley, R. W. (2004). Adenosine and sleep–wake regulation. Progress in neurobiology, 73(6), 379-396.
Porkka-Heiskanen, T., & Kalinchuk, A. V. (2011). Adenosine, energy metabolism and sleep homeostasis. Sleep medicine reviews, 15(2), 123-135.
Der Schlafthermostat!
Licht und Chemie sind aber noch immer nicht alle Stellknöpfe, mit denen wir besseren Schlaf fördern können. Auch mit der richtigen Einstellung Ihres Schlafthermostats schlafen Sie besser!
Ausnahmslos alle biologischen Prozesse hängen von Temperaturen ab. Auch der Schlaf. Wenn wir schlafen, sinkt die Körpertemperatur. Das Absinken der Körpertemperatur ist aber keine Folge des Schlafs. Vielmehr ist das Absinken der Körpertemperatur ein zentraler Bestandteil des Schlafs: Ohne sinkende Körpertemperatur gibt es keinen erholsamen Schlaf. Sehen wir uns dazu einen Aufsatz von Shreyas Joshi und Kollegen an. Die kommen zunächst zu der Aussage, dass wir beim Schlafen eine Wärmekomfortzone von 28 – 31 Grad Celsius unter der Bettdecke haben. Halbnackt ohne Decke bei 26 Grad fangen wir an zu frieren, während mehr als 32 Grad uns auch komplett unbekleidet und ohne Decke ein Hitzeproblem macht. Wer schon mal versucht hat, in einer heißen Nacht verschwitzt zur Ruhe zu kommen, weiß, wovon wir hier sprechen. Kazue Okamoto-Mizuno und Koh Mizuno merken zusätzlich an, dass in warmen Räumen eine hohe Luftfeuchtigkeit noch zusätzliche Schlafprobleme macht. Eine heiße Nacht in den Tropen ist also so ziemlich das Schlimmste, was uns beim Schlafen passieren kann.
Um schlafen zu können, muss die Körperkerntemperatur fallen. Dies bewerkstelligt der Körper dadurch, dass die Temperatur von innen nach außen geleitet wird. Dadurch wird z.B. unsere Hautoberfläche wärmer. Die Haut muss diese Wärme dann aber irgendwie loswerden können. Daher darf es unter der Decke und im Schlafzimmer nicht zu warm werden. Wenn Sie Hände und Füße unter der Decke herausstrecken, dann tun Sie das, um Wärme abzustrahlen. Sie können Ihren Körper bei der Thermostateinstellung aktiv unterstützen. Schlafen Sie möglichst in kühleren Räumen unter 20 Grad. Passen Sie Decken und Schlafbekleidung an die Raumtemperatur an. Nehmen Sie vor dem Schlaf ein heißes Bad oder eine heiße Dusche.
Beide führen dazu, dass der Körper größere Anstrengungen unternimmt, herunterzukühlen. Dann geht das Abkühlen schneller und damit auch das Einschlafen. Sorgen Sie für Matratzen und Decken, die eine gute Wärmeableitung ermöglichen. Investieren Sie hier lieber etwas mehr, lassen Sie sich beraten und geben Sie ein paar Euro für einen zuverlässigen aktuellen Testbericht aus. Sofern die Raumtemperatur die 27 Grad nicht überschreitet, können auch Ventilatoren noch helfen, um den Körper zu kühlen. Sagen jedenfalls Joshi und Kollegen.
Quellen:
Joshi, S. S., Lesser, T. J., Olsen, J. W., & O’Hara, B. F. (2016). The importance of temperature and thermoregulation for optimal human sleep. Energy and Buildings, 131, 153-157.
Okamoto-Mizuno, K., & Mizuno, K. (2012). Effects of thermal environment on sleep and circadian rhythm. Journal of physiological anthropology, 31(1), 1-9.
Schlaftabletten
Es gibt eine ganze Reihe unterschiedlicher Substanzen, die in Schlaftabletten verarbeitet werden. Harmlos sind die aber alle nicht. Die verschiedenen Klassen von Wirkstoffen, die in Schlaftabletten enthalten sind, verursachen die unterschiedlichsten Nebenwirkungen. Zolpidem wird häufiger zur Kurzzeitbehandlung von Schlafstörungen eingesetzt. Die Gelbe Liste Pharmaindex, ein Arzneimittelinformationssystem über alle in Deutschland zugelassenen Medikamente, sagt zu möglichen Nebenwirkungen von Zolpidem: Infektionen der Atemwege, Halluzinationen, Albträume, Depression und sogar verstärkte(!) Schlaflosigkeit. Zolpidem gehört zusammen mit Zopiklon und einigen anderen zu den sogenannten Z-Drugs. Mit diesen Stoffen setzen sich Fabrizio Schifano und Kollegen auseinander. Sie kommen dabei zu dem Ergebnis, dass diese Substanzen signifikantes Missbrauchs- und Suchtpotenzial haben. Die Autoren führen dazu auch aus, dass diese Substanzen teils zu fahrlässig verschrieben werden. Dabei galten die Z-Drugs zunächst als klar überlegene Alternative im Vergleich zu den älteren Benzodiazepinen wie z.B. Valium.
Von den Benzodiazepinen sind die Entstehung von Abhängigkeiten, Gedächtnisverlust und bei älteren Menschen eine erhöhte Sturzgefahr als mögliche Nebenwirkungen bekannt, wie Suzanna Uzun und Kollegen schreiben. Auch freiverkäufliche Wirkstoffe wie Antihistaminika sind nicht frei von Nebenwirkungen. Bekannte Nebenwirkungen hier sind z.B. Benommenheit und eingeschränkte psychomotorische Fähigkeiten. Bei älteren Menschen treten auch bei diesen Mitteln mehr Stürze und Knochenbrüche auf, wie Cho und Kollegen berichten. Bei Schlaftabletten gilt daher absolute Vorsicht! Nehmen Sie Schlaftabletten nur nach ärztlicher Verordnung und auch dann am besten nur, wenn diese von einem/einer auf Schlafmedizin spezialisierten Arzt/Ärztin verordnet wurden. Schlaftabletten sind Notlösungen. Eventuell hauen die Pillen einen einfach nur KO, sorgen aber nicht für echten Schlaf…
Vorher oder zumindest begleitend sollte geprüft werden, ob physische Probleme wie z.B. eine Apnoe die Ursache von Schlafproblemen sein könnten. In den meisten Fällen sind Schlafprobleme psychisch oder verhaltensbedingt. Daher sollte zunächst hier nach Lösungen gesucht werden. Solche Lösungen existieren in den meisten Fällen und das schöne: Außer besserem Schlaf und besserer Laune haben diese Interventionen keine Nebenwirkungen! Baldrian kann man indessen bedenkenlos nehmen, sagen zumindest Noriko Schinjyo und ihre Kollegen. Die Qualität der erhältlichen Produkte lässt allerdings häufig zu wünschen übrig.
Quellen:
Pagel, J. F., Pandi-Perumal, S. R., & Monti, J. M. (2018). Treating insomnia with medications. Sleep Science and Practice, 2(1), 5.
Gelbe Liste zu Zolpidem: https://www.gelbe-liste.de/wirkstoffe/Zolpidem_10432
Schifano, F., Chiappini, S., Corkery, J. M., & Guirguis, A. (2019). An insight into Z-drug abuse and dependence: an examination of reports to the European medicines agency database of suspected adverse drug reactions. International Journal of Neuropsychopharmacology, 22(4), 270-277.
Uzun, S., Kozumplik, O., Jakovljević, M., & Sedić, B. (2010). Side effects of treatment with benzodiazepines. Psychiatria Danubina, 22(1), 90-93.
Cho, H., Myung, J., Suh, H. S., & Kang, H. Y. (2018). Antihistamine use and the risk of injurious falls or fracture in elderly patients: a systematic review and meta-analysis. Osteoporosis international, 29, 2163-2170.
Shinjyo, N., Waddell, G., & Green, J. (2020). Valerian root in treating sleep problems and associated disorders—A systematic review and meta-analysis. Journal of Evidence-Based Integrative Medicine, 25, 2515690X20967323.
Die Koffeinmeisterschaft und das Frühstücksbierchen
Wir müssen hier gar nicht herumeiern: Koffein ist der Großmeister der Fake-News. Koffein kommt chemisch harmlos daher und besteht zum Teil aus den Bestandteilen der Luft, die wir atmen, nämlich aus Sauerstoff und Stickstoff. Dann mixt man noch Kohlenstoff und Wasserstoff dazu, und fertig ist das erfolgreichste Aufputschmittel der Welt. Erstmals ist dem Apotheker Friedlieb Ferdinand Runge im Jahre 1819 gelungen, Koffein in Reinform aus Kaffeebohnen zu extrahieren.
Nun haben wir oben über das „Schlafhungerhormon“ Adenosin gesprochen. Raten Sie mal, woraus Adenosin besteht? Richtig: Aus Sauerstoff und Stickstoff, wie unsere Luft. Und dann mixt man noch Kohlenstoff und Wasserstoff dazu, schon hat man Adenosin. Erinnert Sie das an einen anderen Stoff, von dem Sie kürzlich gelesen haben? Koffein ist dem Adenosin sehr, sehr ähnlich. Genau das ist auch der Grund, warum Koffein dem Hirn Fake-News unterjubeln kann. Wie wir wissen, sagt Adenosin dem Hirn, dass es müde ist und schlafen will. Dazu muss es aber an den entsprechenden Rezeptoren im Gehirn andocken, um die Müdigkeitsbotschaft zu übermitteln. An genau diesen Rezeptoren aber dockt sich auch das Koffein an und quatscht das Hirn mit Fake-News voll: Du bist wach und munter, geh bloß nicht ins Bett!
Wenn also der Briefkasten des Hirns mit Koffeinnachrichten verstopft ist, dann passen die Adenosinnachrichten nicht mehr hinein. Dann sagt dem Hirn niemand mehr, dass es müde ist.
Das Adenosin ist dadurch allerdings nicht weg, es geistert weiter im Hirn umher. Es hört ihm bloß keiner mehr zu. Das Hirn ist müde, kriegt das aber wegen des Koffeins nicht mehr mit. Ian Clark und Hans Peter Landholt fassen eine Vielzahl von Einzelstudien zu Koffeineffekten zusammen: Koffeinkonsum verlängert die Einschlafzeit, reduziert die Gesamtschlafzeit und reduziert die wahrgenommene Schlafqualität. Leider bleibt Koffein sehr lange im Blut. Trinkt man eine Tasse Kaffee, ist sechs Stunden später immer noch die Hälfte des Koffeins im Blut, 12 Stunden später immer noch ein Viertel. Christopher Drake und Kollegen stellen fest, dass Koffein auch sechs Stunden vor dem Schlafengehen den Schlaf beschädigt. Es ist also bestenfalls morgens die richtige Zeit für Koffein.
Und wann ist die beste Zeit für das Feierabendbierchen? Morgens! Bier und Co. sind morgens in unseren Körpern auch viel besser aufgehoben als abends, kann man unter anderem bei Russel Foster nachlesen. Denn Alkohol bringt das System unserer inneren Uhren durcheinander. So reduziert Alkoholkonsum die Schwankung der Körpertemperatur. Diese Schwankungen sind aber ein wichtiger Teil unseres Schlaf-Wach-Zyklus. Vor allem abendlicher Alkohol bringt zusätzlich die Leber aus dem Takt, auch die würde abends lieber in den Ruhemodus wechseln. Sie mag abends also weder Pizza noch Bier. Das Feierabendbierchen ist zudem ein dreister Lügner, also noch so ein Fake-News Meister. Es gaukelt einem vor, man würde schneller und leichter einschlafen. Das ist allerdings nicht der Fall, man verliert mit Alkohol lediglich schneller das Bewusstsein. Schlaf und Bewusstseinsverlust sind aber zwei völlig unterschiedliche Dinge, auch wenn sie sich im individuellen Erleben ähnlich anfühlen. Dabei stört der Alk dann noch den Traumschlaf, der uns hilft, unser emotionales Gleichgewicht zu halten. Alkohol lässt uns zudem häufiger aufwachen, wenn auch nur so kurz, dass wir das nicht mitbekommen. Schlecht für den Schlaf und unsere Laune am nächsten Tag ist das trotzdem. Erinnern Sie sich noch an einen Tag nach einer durchzechten Nacht? Nicht lustig, oder?
Wenn man die wissenschaftlichen Befunde zusammenfasst, dann müssten wir Ihnen eigentlich dringend empfehlen, Koffein und Alkohol aus Ihrem Leben zu verbannen. Sind Ratgeber, die solche Ratschläge geben, erfolgreich? Nein. Also lassen wir das. Unser Vorschlag ist daher: Trinken Sie ab mittags keine koffeinhaltigen Getränke mehr. Und wenn Sie mal ein Trinkgelage veranstalten, dann kombinieren Sie Frühstück und Cocktails: Seien Sie Avantgarde und laden Sie zum sonntäglichen Brocktail ein. Pina Colada statt Cappuccino zum Frühstück, Mojito statt Milchkaffee!
Es spricht vieles dafür, neben dem Brunch auch den Brocktail als neues Frühstücksformat am Wochenende einzuführen. Wenn das nicht machbar ist, schauen Sie, dass sie zwischen den Drink und Ihr Bett möglichst ein paar Stunden einschieben, damit der Alkohol zumindest teilweise wieder abgebaut werden kann.
Dabei ist es generell eine tolle Idee, zwischen die letzten Kalorien des Tages – Alkohol hin oder her – und das Bett mindestens zwei, drei Stunden Kalorienpause einzuschieben und vielleicht sogar noch einen Verdauungsspaziergang.
Quellen:
Clark, I., & Landolt, H. P. (2017). Coffee, caffeine, and sleep: A systematic review of epidemiological studies and randomized controlled trials. Sleep medicine reviews, 31, 70-78.
Drake, C., Roehrs, T., Shambroom, J., & Roth, T. (2013). Caffeine effects on sleep taken 0, 3, or 6 hours before going to bed. Journal of Clinical Sleep Medicine, 9(11), 1195-1200.
Foster, R. (2022): Life Time. Penguin Randomhouse, UK
In der nächsten Ausgabe…
Im nächsten Newsletter sehen wir uns an, was man von morgens bis abends noch so alles tun kann, um besser zu schlafen. Dabei müssen wir mit Ihnen mal ein ernstes, aber natürlich wohlwollendes, Wörtchen über Netflix & Co. und Ihr Handy mit Ihnen reden. Und wir müssen darüber reden, warum es besser ist, Ehestreitigkeiten im Stadtpark auszutragen und nicht im Schlafzimmer. Und warum man die Sorgen, die man sich morgens um 03:27 macht, nicht zu ernst nehmen sollte. Wenn Sie bis dahin Baldrian und Hopfen nehmen wollen, haben wir indessen absolut nichts einzuwenden!
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