
Newsletter – November 2024
23. November 2024
Newsletter – Februar 2025
26. Februar 2025Newsletter - Januar 2025

Solche Anblicke sollten Raucher vermeiden
Liebe Leserin, lieber Leser,
der Beginn des neuen Jahres ist der Zeitraum der guten Vorsätze – und leider oft auch des Scheiterns. In Untersuchungen zeigt sich, dass Menschen teilweise zehn Jahre in Folge mit demselben Vorsatz ins neue Jahr starten. Es zeigt sich aber auch, dass sie nicht verstehen, warum die Umsetzung nicht funktioniert. Manche Menschen geben einfach auf, manche beschimpfen sich dafür sogar selbst
und einige suchen nach Gründen. Doch selbst die Suchenden kommen den wahren Ursachen meist nicht auf die Spur.
Das ist allerdings nicht verwunderlich, hinterlassen doch die Gründe des Scheiterns keine schönen Fußabdrücke im Schnee, denen jeder Spurenleser leicht folgen könnte.
Kommen wir heute also zum dritten Teil unseres Ausflugs in die Welt der Gewohnheiten. Wenn Sie nochmals nachlesen wollen, können Sie sich hier den ersten Teil ansehen und hier den zweiten Teil.
Nun kommen wir zum dritten Teil, in dem es um die Macht der Auslösereize und Standardeinstellungen geht. Und es geht um unsere Fähigkeit, die Kontrolle über die Standardeinstellungen und Auslösereize zu übernehmen. Und damit effektiv unser Verhalten zu steuern, ohne uns ständig disziplinieren zu müssen.
Schön, dass Sie auch im Januar wieder dabei sind!

Ihr Prof. Dr. Stefan Winter

Ihr Dr. Robin Matz
Das Versagen der Disziplin
Nehmen Sie an, dass Ihre Küche einmal so aussieht wie im linken Bild unten und einmal so wie im rechten Bild. Welchen Unterschied macht dieser Unterschied?
Falls Sie jetzt annehmen, dass die unterschiedlichen Anblicke keine Effekte auf Ihr Essverhalten haben, weil Sie ja diszipliniert sind und wissen, dass Äpfel gesünder sind: Die Forschung sagt da etwas anderes. Falls Sie allerdings wirklich zu den wenigen Auserwählten gehören, die beim Anblick von Keksen (oder Schokolade, Pommes, Pizza?) nicht doch immer wieder der Versuchung erliegen, können wir Ihnen nur gratulieren.
Kommen wir aber erstmal zu ein paar Befunden über Normalsterbliche, die die Gefahren der Versuchung und die Gefahren des Unbewussten eindrucksvoll dokumentieren. Sehen wir uns dazu zwei Studien von Deborah Cohen und Susan Babey an. Die Autorinnen stellen fest, dass das Essverhalten weitgehend automatisiert und unbewusst abläuft. Je erschöpfter Menschen sind, desto impulsiver essen sie und erkennen nicht, wie stark Essensreize der Umwelt auf sie einwirken. Die Pizza im folgenden Bild könnte also durchaus das Ergebnis von Erschöpfung und nicht das Ergebnis von Hunger.
Besonders gefährlich für das Essverhalten sind große Portionsgrößen und die ständige Verfügbarkeit von Lebensmitteln im eigenen Umfeld. Forschungsarbeiten zeigen immer wieder, dass größere Portionen auf dem Teller zu höherer Kalorienzufuhr führen. Erstaunlich dabei ist, dass Menschen unabhängig von der Portionsgröße immer das gleiche Sättigungsgefühl äußern, wenn sie ihre Teller leer gegessen haben. Ein Teil des weltweiten Ernährungsproblems besteht daher darin, dass die Portionsgrößen in Restaurants und teils auch Kantinen weltweit ständig zunehmen. Die Mahlzeit im nächsten Bild mag noch so lecker sein, sie ist auf jeden Fall zu groß.
In Supermärkten werden vor allem die Produkte auf Augenhöhe und am Anfang und Ende von Regalen gekauft, was ebenfalls nicht für eine bewusste Auswahl spricht. Ist man dann endlich durch den Supermarkt durch, muss man in der Regel ein paar Sekunden bis Minuten an der Kasse stehen. Und hat somit genügend Zeit, weiteren Impulsen zu erliegen, die sich an Kassen in Form von Süßigkeiten, Zigaretten oder kleinen Schnapsfläschchen auftürmen. Jedem das Seine!
Quellen:
Cohen, D.A. and Babey, S.H. (2012): Contextual influences on eating behaviours: heuristic processing and dietary choices, In: Obesity Reviews, 13, pp. 766-779.
Cohen, D. A., & Babey, S. H. (2012). Candy at the cash register—a risk factor for obesity and chronic disease. New England Journal of Medicine, 367(15), 1381-1383.

Nudging und Sludging!
Richard Thaler hat den Wirtschaftsnobelpreis 2017 verliehen bekommen. Unter anderem für seine Idee des Anstupsens, des sog. Nudgings. Beim Nudging geht es um die Idee, Reize im Umfeld von Menschen so zu verändern, dass diese eher gute Entscheidungen treffen.
Es gibt da ein paar schöne Beispiele. Malt man mehrere Folgen von Querstreifen auf die Fahrbahn und malt dabei diese Querstreifen immer enger aneinander, entsteht bei Fahrern das Gefühl, dass sie immer schneller fahren. Mit der Konsequenz, dass sie abbremsen. Haben Sie am Straßenrand an Ortseinfahrten schon mal diese Leuchtsignale gesehen, die die gemessene Geschwindigkeit anzeigen, zusätzlich aber auch ein böses oder ein lächelndes Gesicht? Menschen mögen lächelnde Gesichter lieber, daher bremsen sie ab, wenn sie sich diesen Leuchtsignalen nähern. Sie wollen die lächelnden Gesichter sehen. Leuchtsignale mit lächelnden Gesichtern stupsen Menschen an, sich gut zu verhalten. Das Gegenteil funktioniert auch: Menschen mögen grimmige Gesichter nicht, schlechtes Verhalten wird bestraft. Das nennt man in der Fachliteratur Sludging. Nudging heißt, die guten Entscheidungen einfacher zu machen, Sludging soll die falschen Entscheidungen erschweren. An welchem der folgenden Gesichter würden Sie lieber vorbeifahren?
Eine Studie von Stephanie Mertens und ihren Koautoren gibt einen großartigen Überblick über die Effektivität des Nudgings. Die Autoren haben verschiedene Nudgingansätze in ganz unterschiedlichen Lebensbereichen von Menschen auf ihre Effektivität hin untersucht. Dabei haben Sie herausgefunden, dass die sogenannten Nudges (Entscheidungshilfen, „Anstupser“) besonders effektiv sind, wenn sie die Entscheidungsstrukturen selbst verändern. Hierzu zählen die sogenannten „Standardeinstellungen“ für Entscheidungen.
Besonders effektiv war z.B. die Veränderung von Portionsgrößen beim Essen. Wie wir oben bereits gesehen hatten, führen kleinere Portionen zu geringerem Kalorienkonsum, ohne dabei zu geringeren Sättigungsgefühlen zu führen. Sich also eine kleinere Portion auf den Teller zu packen (oder packen zu lassen) führt zur Reduktion der Kalorienaufnahme, ohne einen unbefriedigt zurückzulassen.
Die Studie von Stephanie Mertens und ihren Mitstreitern zeigt auch, dass vor allem die Ernährung sehr effektiv über Nudges beeinflusst werden kann. Statt den eigenen Kalorienkonsum über Disziplin oder Willenskraft zu steuern zu wollen, ist es effektiver, sein Umfeld umzugestalten. Wenn ich weniger Kalorien auf dem Teller habe, esse ich weniger, ohne mich disziplinieren zu müssen.
John Beshears and Harry Kosowsky äußern sich in der gleichen Richtung. Auch sie stellen fest, dass Nudges per Standardeinstellungen besonders effektiv sind. Diese Nudges erfordern im Augenblick der Entscheidung überhaupt keinen Denkaufwand, was ihre große Effektivität bereits ausreichend erklären dürfte. Wenn Menschen z.B. bei einem neuen Arbeitgeber automatisch in einen privaten Rentenversicherungsvertrag aufgenommen werden, dann treten die wenigsten aus. Muss man aber selbst aktiv eintreten, treten die wenigsten ein. Ob man im Alter also arm sein wird, hängt bei weitem nicht nur davon ab, was man im Leben verdient. Es hängt auch davon ob, ob man sich in jungen Jahren aktiv gegen oder für das Sparen entscheiden muss.
Quellen:
Mertens, S., Herberz, M., Hahnel, U. J., & Brosch, T. (2022). The effectiveness of nudging: A meta-analysis of choice architecture interventions across behavioral domains. Proceedings of the National Academy of Sciences, 119(1), e2107346118.
Beshears, J., & Kosowsky, H. (2020). Nudging: Progress to date and future directions. Organizational behavior and human decision processes, 161, 3-19.
Die Selbstmanagement-Tipps im Januar
Die Studien zum Nudging lassen einen ziemlich eindeutigen Schluss zu: Sorgen Sie für die richtigen Standardeinstellungen für Ihre Entscheidungen.
Stellen Sie an ihrem Smartphone alle visuellen und optischen Signale aus, die Sie auf neue Nachrichten hinweisen. Das gleiche gilt für Vibrationsalarme: abschalten! Unterbrechen Sie den ununterbrochenen Angriff der optischen und akustischen Belagerung!
Fragen Sie Ihren Arbeitgeber nach Möglichkeiten, einen Teil Ihres Gehalts umzuwandeln und in eine private Rentenversicherung einzuzahlen. Das spart Steuern und macht das Leben im Alter viel, viel besser. Dann müssen sie nicht jeden Monat erneut ans Sparen denken. Um es noch einfacher zu machen. Fangen Sie damit an, indem Sie die nächste Gehaltserhöhung in Ihre private Rente umlenken, dann müssen Sie jetzt nicht mit dem Sparen anfangen.
Tun Sie sich in der Küche eine angemessene Portion auf den Teller und setzen Sie sich damit an den Esstisch. Stellen Sie niemals große Essensmengen vor sich auf den Esstisch.
Lassen Sie keine Lebensmittel, insbesondere keine Süßigkeiten offen in Ihrer Wohnung herumstehen.
Buchen Sie keine All-Inklusive-Urlaube und meiden Sie Buffets. Wenn Sie doch einmal vor einem Buffet stehen, sehen Sie sich erst alles an und wählen Sie in Ruhe aus, was Sie wirklich essen wollen.
Suchen Sie sich einen neuen Weg zur Arbeit, wenn Ihr derzeitiger Weg Sie an zu vielen gefährlichen Bäckereien vorbeiführt.
Wenn Sie mit dem Rauchen aufhören wollen, schaffen Sie alle Rauchutensilien aus der Wohnung. Also weg mit Aschenbechern, Feuerzeugen und Zigarettenetuis.
Schreiben Sie sich die neuen Standardeinstellungen, die Ihnen selbst für Ihr Leben einfallen, unbedingt auf. Am besten auf ein Post-It, das Sie sich auf den Spiegel im Badezimmer kleben. Bis Ihnen die neuen Standardeinstellungen zur zweiten Natur geworden sind.
In der nächsten Ausgabe…
Wenn Sie diese und die vorangehenden beiden Ausgaben unseres Newsletters durchgegangen sind, dann haben Sie schon so einiges an Rüstzeug zusammen, das Sie für den Aufbau einer neuen Gewohnheit brauchen. Sollte das noch nicht ganz gereicht haben, liefern wir nach! In der nächsten Ausgabe erwarten Sie weitere praktische Tipps zur Etablierung guter Gewohnheiten. Wir werden das gemeinsam schon irgendwie entwirren!
Sprachhinweis / Vollständiger Haftungsausschluss / Provisionshinweis
Wir verwenden aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung in der Regel das generische Maskulinum, gemeint sind damit immer Angehöriger aller Geschlechter.
Die Inhalte unserer Newsletter und unserer Internetseiten dienen ausschließlich der Information. Sie stellen keine Beratungsleistung dar und ersetzen keine medizinische, psychologische oder anderweitig ggf. notwendige professionelle Beratung, Betreuung oder Therapie. Wir stellen sämtliche Informationen nach bestem Wissen und Gewissen zur Verfügung. Wir übernehmen allerdings keinerlei Gewähr für die Richtigkeit, Angemessenheit oder Risikolosigkeit der von uns bereitgestellten Informationen. Ebenso schließen wir jegliche Haftung für die Folgen der Nutzung der von uns zur Verfügung gestellten Informationen aus. Unsere Empfehlungen ersetzen keine Arztbesuche, psychologische Betreuung oder anderweitige professionelle Hilfe bei medizinischen, psychologischen oder anderweitigen Problemen. Sie sollten die Informationen in unserem Newsletter und auf unseren Internetseiten nicht zur Selbstdiagnose verwenden oder aufgrund der Informationen auf medizinische, psychologische oder anderweitige professionelle Beratung oder Betreuung verzichten. Suchen Sie stets professionellen Rat, bevor Sie Medikamente, Nahrungsergänzungsmittel, oder sonstige Substanzen außerhalb gewöhnlicher Lebensmittel zu sich nehmen. Lassen Sie sich sportärztlich untersuchen, bevor Sie größere, ungewohnte körperliche Belastungen auf sich nehmen. Mit der Nutzung unserer Internetseiten und/oder dem Abonnement unserer Newsletter erklären Sie ausdrücklich, dass Sie keinerlei Haftungsansprüche gegen uns geltend machen werden.
Wenn wir über Produkte berichten und auf Händlerseiten verlinken, kann es sein, dass wir für einen eventuellen Kauf eine Provision erhalten. Der Kaufpreis erhöht sich dadurch nicht. Wir bemühen uns vielmehr, Rabatte für unsere Leserinnen und Leser zu verhandeln, wo immer das möglich ist. Wir berichten nur über solche Produkte, die wir selbst sorgfältig bewertet haben oder über die wir aus glaubwürdigen Quellen positive Bewertungen vorliegen haben.